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Wiener Gerichte mit Geschichte – Tafelspitz Co.

Rindfleischhochburg Wien

Wer nach den typischen kulinarischen Köstlichkeiten Wiens fragt, bekommt nebem dem Wiener Schnitzel meist in einem Atemzug den „Tafelspitz“ oder das gekochte Rindfleisch genannt. Und das hat auch seine Richtigkeit. Das gekochte Rindfleisch ist wohl die konstanteste Speise der Wiener Küche. Änderungen gab es hierbei nur bei Art und Anzahl der Beilagen, der Hauptdarsteller, nämlich das Fleisch selbst und dessen Zubereitung haben sich seit dem 19. Jahrhundert kaum verändert. Speziell der Tafelspitz brachte es zu einigem Ruhm und ist heute beliebter denn je.

Warum entstand ausgerechnet in Wien diese ausgeprägte Vorliebe für Rindfleisch? Schon im Mittelalter war es für die Ernährung aller Schichten der Wiener Bevölkerung von großer Bedeutung. Rinder konnten leicht von den damaligen Aufzuchtgegenden in Ungarn, Galizien, im Marchfeld usw. nach Wien getrieben werden, was gegenüber kurzbeinigen Tieren wie Schweinen und Schafen ein großer Vorteil war, da es noch nicht die entsprechenden Transportmöglichkeiten gab. Mitte des 16. Jahrhunderts machte das Wiener Magistrat noch keine Unterschiede zwischen den verschiedenen Fleischteilen bei der Festsetzung des Preises, lediglich die Edelteile wie Lungenbraten oder Beiried wurden teurer gehandelt. Das Fleisch wurde schon damals meist gekocht, weil man dabei auch die Suppe als Vorspeise erhielt. Somit war Rindfleisch für den Großteil der Wiener erschwinglich. Fettes Fleisch war aufgrund des höheren Nährwerts beliebter als die mageren Teile (diese Vorliebe hielt übrigens bis ins erste Drittel des 20. Jahrhunderts an).

Während der Regierungszeit von Maria Theresia galt die österreichische und Wiener Küche im riesigen Gebiet der Monarchie als typische Rindfleischküche. Speziell in Wien und von Wien ausgehend entstand fast ein Kult rund um das gesottene Rindfleisch, das bei keinem Bankett oder Festmenü fehlen durfte. Dieser Kult erreichte seinen ersten Höhepunkt Anfang des 19. Jahrhunderts. Im Jahr 1829 gab es etwa im Gasthof „Zum braunen Hirschen“ im 3. Bezirk Wiens täglich Rindfleisch, außer an den kirchlich vorgeschriebenen Fasttagen. Das gesottene Rindfleisch fehlt auch in keinem der damals aufkommenden Kochbücher von z. B. Anna Dorn, Anna Hofbauer oder der legendären Katharina Prato. Letztere erlebte auch noch die Eröffnung des ersten Wiener Rindfleischtempels „Meissl & Schadn“ am Neuen Markt.

Des Kaisers liebste Speise 

Schon aus dem Jahr 1836 gibt es Aufzeichnungen, wonach gekochtes Rindfleisch im Kaiserhaus täglich auf dem Speiseplan zu finden war. Spätestens mit Kaiser Franz Joseph I. erreichte es seinen absoluten Höhepunkt an Popularität. Außer an Fasttagen musste es ihm jeden Tag serviert werden. Dem als sparsam und genügsam geltenden Monarchen war speziell der gekochte Tafelspitz mit den damals üblichen Beilagen – (eingebranntem) Gemüse nach Saison – das liebste Essen. Diese Vorliebe teilte auch seine Gattin, Kaiserin Elisabeth, die das magere Stück Fleisch gerne auch kalt zu sich nahm. Die beim Kochen entstehende Rindsuppe mit ihren zahlreichen Einlagenvariationen war beim Kaiserpaar ebenfalls höchst beliebt.

Traditionell und noch immer „trendy“

Nach den Mangeljahren während des ersten und zweiten Weltkrieges und mit Gründung der neuen Wiener Küche erlangten auch der Tafelspitz und das gesottene Rindfleisch wieder ihren angemessenen Stellenwert – und das ist bis heute so geblieben. Der Diskussion, ob denn nun der Tafelspitz, das Hieferscherzel, der Kavalierspitz oder einer der anderen Teile das ultimative Stück und am besten zum Kochen geeignet ist, ist die individuelle Vorliebe des jeweiligen Genießers gewichen.  Am berühmtesten ist noch immer der Tafelspitz, der sogar in die Literatur eingegangen ist, in Joseph Roth’s „Radetzkymarsch“ verherrlicht wurde und in den 90er Jahren als Filmtitel verwendet wurde.

Dabei liegt eines der wahren Geheimnisse des großen Rindfleischerfolges in Wien sicher seit jeher in der Vielfalt der Beilagen. Waren es früher auch schwere Sättigungsbeilagen wie Erdäpfelpüree, gebackener Karfiol oder sogar Makkaroni, so haben sich heute die sogenannten „Klassiker“ durchgesetzt: Apfelkren, Schnittlauchsoße, Semmelkren, Dillfisolen, Kochsalat mit Erbsen, Cremespinat, Rahmkohlrabi, Kürbis, sowie Röst-, Stürz- oder Bouillonerdäpfel. Oft werden zum Tafelspitz auch mitgekochte Rindermarkscheiben gereicht, wie z. B. im traditionsreichen Restaurant „Kronprinz Rudolph“ im Hotel Stefanie, dem ältesten Hotel Wiens.

Ich selbst koche meist ein wenig mehr Rindfleisch (mit Vorliebe weißes Scherzel) und Suppe – das Fleisch lässt sich, speziell im Sommer, wunderbar kalt als Rindfleischsalat zubereiten, die Suppe kann gut portionsweise eingefroren werden, sodass man immer einen köstlichen Vorrat auf Lager hat.

Möge das Wiener Rindfleisch nie aus der Mode kommen …

Welche Beilagen essen Sie am liebsten zum gekochten Rindfleisch? Ich freue mich auf Ihre Kommentare!



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