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Fastenspeisen im Alten Wien

Einfallsreiche kulinarische Kreationen zur Fastenzeit

Mit dem vergangenen Aschermittwoch hat die Fastenzeit begonnen. Doch – wer fastet heute eigentlich noch wirklich, mit Ausnahme der Geistlichen in Kirchen und Klöstern? Mit dem Beginn der „fetten“ Wirtschaftswunderjahre und mit dem in der westlichen Welt herrschenden Überfluss an Nahrungsmitteln ist die Zeit des Fastens fast in Vergessenheit geraten.

Bis nach dem 1. Weltkrieg schrieb die katholische Kirche pro Jahr 148 Fasttage vor, dazu zählten nicht nur die 40 Tage vor dem Osterfest und der Advent, sondern auch jeder normale Freitag und – in manchen Gegenden – Samstag. So waren die Wirte Anfang des 19.

Jahrhunderts gesetzlich verpflichtet, an Fasttagen auch entsprechende Speisen, also kein Fleisch, anzubieten. Fleischspeisen durften nur auf ausdrücklichen Wunsch und in einem Extraraum serviert werden.

Fasten mit Fischotter, Schildkröte und Schnecke

Die Kirche verbot grundsätzlich das Essen des Fleisches von warmblütigen Tieren, ganz streng gesehen waren auch tierische Fette nicht erlaubt. Eier, Milchprodukte und sogar Honig waren erst im Biedermeier gestattet. 

Speziell die Wiener waren in der Erfindung von „Fleischersatz“ und bei der Auslegung von „Verboten“ und „Erlaubt“ sehr einfallsreich. Aus Fisch wurden Würste und Sülzchen bereitet, im Wasser lebende Tiere wie Fischotter, Schildkröten oder Biber, ja sogar Fischreiher, wurden kurzerhand als „Erlaubt“ deklariert – eben weil sie ja im oder am Wasser lebten und somit als „nicht warmblütig“ eingestuft wurden. Fischotter und Biber wurden meist gebraten oder in Soßen gedünstet. Frösche, Schildkröten, Krebse und Schnecken eigneten sich auch zum allseits beliebten Panieren oder zum Kurzbraten. Fische aller Art wurden gedünstet, gebacken und gebraten und mit allerlei nährreichen Beilagen gereicht. All diese – für uns teilweise skurril klingenden – Zutaten wurden auch zur Verfeinerung der obligatorischen Fastensuppen, meist basierend auf dem sogenannten „Erbsenwasser“ , verwendet. Dieses Erbsenwasser bestand  aus einer Basis aus Gemüse bzw. Erbsen, angereichert mit zahlreichen starken Gewürzen wie Lorbeer, Safran und Muskatnuss. In Wien war die Fischbeuschelsuppe außerdem besonders beliebt – diese wird ja noch heute vor allem in der Vorweihnachtszeit gerne genossen. Auch kalorienreiche Mehlspeisen waren ein wahrer Festschmaus und füllten die Mägen an den verordneten kargen Tagen.

Heute fasten nur noch die wenigsten Normalbürger aus religiösen Gründen. Der gesundheitliche Aspekt steht neben dem Heilfasten, zur Reinigung und Erneuerung von Körper und Geist, im Vordergrund. Viele fasten auch, um ihre Sinne und die Wahrnehmung von Geruch und Geschmack wieder zu schärfen und zu sensibilisieren. In Zeiten von Fertiggerichten, Fast-Food-Lawinen und künstlichen Aromastoffen ist dies wohl ein probates  Mittel, um wieder zu Ursprünglichkeit und Echtheit guter Lebensmittel zurück zu finden.

Bildquelle: Wiener Schneckenweib aus dem Brand’schen Kaufruf, Wien, 1775.
© Wiener Schnecke, www.wienerschnecke.at/tradition.html 



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